Bellow und Scholem

24.10.2011                      26.Tischrei. 5772

Kommentar:

Bellow und Scholem

Als Saul Bellow 1976 den Nobelpreis für Literatur verliehen bekam, sagte er in einem Zeitungsinterview: "Ich bin ein amerikanischer Schriftsteller und ein Jude." Daraufhin bekam Gershom Scholem in Israel einen Wutanfall. Der Grund: Scholem, der 1923, aus Berlin kommend, in Jerusalem eingewandert war, roch aus Bellows Äußerung einen Dünkel heraus, wie er viele deutsche Juden vor Hitler gekennzeichnet hatte, die verächtlich auf die "Ostjuden" herabsahen und glaubten, sie könnten im kulturellen Mainstream mitschwimmen (heute wissen wir, dass das eine tragische Illusion war).

Zwölf Jahre nach Gershom Scholems Wutausbruch – der Religionsphilosoph war mittlerweile verstorben – hielt Saul Bellow eine Rede, die eigentlich nichts anderes als ein Versuch war, Scholem zu erklären, warum sein Wutanfall nicht berechtigt war. Nein, er sei kein Assimilant, sagte Bellow: "Unsere Eltern sprachen zu Hause Russisch miteinander, wir sprachen Jiddisch mit ihnen und Englisch untereinander." Wenn die WASP-Aristokraten – die weißen protestantischen Mehrheitsamerikaner – ihn als Wilderer auf ihren Landgütern betrachteten, dann sollten sie das ruhig tun. Aus diesem Trotz heraus, so Bellow, habe er seine frühen Romane geschrieben….