Leben und leben lassen

06.12.2011                      10.Kislev. 5772                       Gebet für Regen

Orthodoxe Bevormundung:

Leben und leben lassen

Unsere Nerven liegen blank. Die Anderen, verlangen wir, sollen draußen bleiben und sich raushalten. Frauen sagen: Haltet euch bei unserem Uterus heraus; die Rabbis legen fest: Bleibt draußen, wenn Frauen singen. Die Ultraorthodoxen rufen: Bleibt draußen aus unserem Viertel. Und die Säkularen fordern: Haltet euch aus unserem Leben heraus. Und Ashkenasim und Sephardim, Siedler und Linke, Magnaten und soziale Aktivisten wurden hier noch gar nicht erwähnt.

Auch im Bereich der Thora-Lehre gibt es große Spannungen. Jeder noch so kleine Kommentar zieht leidenschaftliche Reaktionen nach sich. Jeder Gedanke, der ein wenig anders ist, wird als Blasphemie angesehen, jeder Wunsch danach, etwas zu ändern, wird gleich zur Reform, und jede Bestrebung nach ein bisschen mehr Komplexität wird als unjüdisch gebrandmarkt.
Rabbis und Studierende, hochrangige Offizielle und weniger wichtige Persönlichkeiten, die Lauten und die Leisen – entspannt euch! Genauso, wie es eine Mitzwa gibt, sich einzumischen, ist es auch manchmal eine Mitzwa, gar nichts zu sagen. Es besteht keine Notwenigkeit, für jede Angelegenheit sofort ein religiöses Edikt zu erlassen und damit alle, die sich nicht daran halten, zu Ungläubigen und Sündern zu machen. Nicht jedes Thema muss harsche und unzweideutige Antworten nach sich ziehen, als könnte es nicht auch eine andere Wahrheit geben. So wie auch nicht jede Torheit gleichbedeutend mit “Kultur”, “Modernismus”, oder “Aufklärung” ist….