22.03.2011 16.Adar ll, 5771
Kultur:
Libyen: Gaddafis Gedankenwelt "Warum raubt ihr mir meine Ruhe?"
Es gab stets mehrere Arten von Diktatoren auf der Welt. Muammar al-Gaddafi gehört zu jenen, die sich für Auserwählte halten. Über seine politischen Texte und Gedichte kann man leicht lachen. Doch was steht wirklich in seinen Schriften?
Es gab immer mehrere Arten von Diktatoren auf der Welt. Ben Ali und Mubarak gehörten zu den weniger charismatischen. Sie wollten nur uneingeschränkt regieren und stehlen, und als sie merkten, dass beides nicht mehr störungsfrei ging, gaben sie irgendwann auf.
Männer wie Nicolae Ceausescu oder Zia ul-Haq tyrannisierten ihre Länder im Namen der Ideologien, für die sie standen: Weltsozialismus hier, Islamisierung gegen kommunistischen Einfluss dort. Und es gibt Herrscher, die sich für Auserwählte halten – von der Geschichte, von Gott oder vom Schicksal. Das sind die schwereren Fälle.
Muammar al-Gaddafi gehört zweifellos zur letzteren Kategorie. Bereits 1970 ließ er sich von der italienischen Autorin Mirella Bianco eine Biographie schreiben, die im Arabischen den Titel "Gaddafi, der Prophet aus der Wüste" trug. Er erfand für Libyen die Bezeichnung "Große Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Dschamahirija", gab seinem Land eine neue Zeitrechnung inklusive Phantasienamen für die Monate und eine neue Flagge und schrieb das "Grüne Buch", Untertitel: "Die dritte Universaltheorie" (nach Kapitalismus und Sozialismus). Dessen erstes Kapitel erschien 1975, in den Folgejahren kamen zwei weitere dazu. Keiner der drei Teile erfordert länger als dreißig Minuten Lesezeit. Dennoch wurden in ganz Libyen "Zentren zur Erforschung des Grünen Buches" aufgebaut….