«Israel treibt auf den Abgrund zu»

03.06.2011                      1.Siwan, 5771                      Rosch Chodesch; Tag 45 des Omer

Interview:

«Israel treibt auf den Abgrund zu»

Die Veränderungen in der arabischen Welt sind in Israel mit Zurückhaltung aufgenommen worden. Moshe Zuckermann, Professor an der Uni Tel Aviv, äussert sich zu den Auswirkungen des arabischen Frühlings auf Israel und den Nahostkonflikt.

Die arabische Welt befindet sich im Umbruch. Die Autokraten in Tunesien und Ägypten wurden vertrieben. In Libyen und Jemen scheint der Abgang der Machthaber nur noch eine Frage der Zeit. Wie denkt die israelische Bevölkerung über diese Entwicklungen?
Moshe Zuckermann: Die Reaktion in der Bevölkerung war sehr israelozentrisch. Man hat sich primär gefragt, was das bedeutet für Israel. Mubarak war der Garant für den wackligen Frieden zwischen Israel und Ägypten. Auch Vater und Sohn Assad haben dafür gesorgt, dass es an der Grenze zu Syrien ruhig blieb. Das war und ist für Israel das entscheidende Kriterium und nicht, ob die arabischen Machthaber autokratisch oder diktatorisch regiert haben. Man muss aber auch sehen, dass beispielsweise durch die Absetzung Mubaraks in Ägypten zurzeit noch nicht viel gewonnen ist. Für einen echten Wandel in Ägypten braucht es eine tiefgreifende Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen. Es wird sich erst noch erweisen müssen, ob die Armee und die Eliten eine Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten zulassen….