06.02.2011 02.Adar l, 5771
Tagebuch:
Mein Land, meine Leute, meine Revolution
Seit zehn Tagen kämpft der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abdel-Samad auf den Straßen Kairos für Demokratie und Meinungsfreiheit. In seinem Tagebuch erzählt er, wie die Revolte sich anfühlt, was die Facebook-Jugend will – und wie er seinen 39. Geburtstag mit zwei Millionen Demonstranten feiert.
Donnerstag, 27. Januar 2011:
Ich bin wieder in Ägypten. Ich musste einfach kommen. Hier wurde ich 1972 in einem Dorf im nördlichen Nildelta, etwa 70 Kilometer von Kairo entfernt geboren. Aber ich weiß nicht, ob ich meinen Vater und meine vier Geschwister sehen werde. Ich bin von München über Istanbul nach Kairo geflogen. Seit ein paar Tagen wird gegen das Regime protestiert. Da will ich dabei sein. Denn es ist etwas in Bewegung geraten. Ich registriere schon seit zwei Jahren, dass im Land etwas passiert. Aber bisher haben in Ägypten, vor allem in Kairo, immer dieselben linken Intellektuellen oder die Muslimbrüder gegen die Herrschaft von Mubarak demonstriert. Mehr als 200, 400 Leute waren eigentlich selten auf der Straße. Zu großen Demonstrationen kam es in Ägypten meist nur, wenn es um Proteste gegen den Westen ging. Zum Beispiel, nachdem die Ägypterin Marwa El-Sherbini im Sommer 2009 von einem verrückten Russlanddeutschen in Dresden ermordet wurde. Und natürlich gab es riesige Demonstrationen gegen die Mohammed-Karikaturen. Aber jetzt geht es nicht gegen den Westen, sondern gegen das eigene Regime….