OTTO MICHEL: Freund der Juden?

23.01.2012                      28.Tewet. 5772

Lebensweg:

OTTO MICHEL: Freund der Juden?

Der evangelische Theologe Otto Michel, der nach 1945 für eine neue deutsche Judaistik stand, verschwieg seine braune Herkunft.

Es gibt deutsche Biografien, die exemplarisch sind für ihre Zeit und trotzdem aus dem Rahmen fallen. Wenn etwa die eigene Nazivergangenheit verleugnet wurde und so auch nicht zum Hindernis für gute Beziehungen zu den Opfern des Holocaust geraten konnte. Fast zwanzig Jahre nach dem Tod des evangelischen Theologen Otto Michel (1903 bis 1993) stellt sich heraus, dass das Leben des angesehenen Universitätsprofessors in diese Kategorie fällt.

In seiner zweiten Lebenshälfte hatte der Neutestamentler sich einen Namen als Brückenbauer zwischen Christen und Juden gemacht. In der jungen Bundesrepublik knüpfte er Kontakte zu Rabbinern und israelischen Gelehrten. Sie kamen als Gastdozenten in das 1957 von ihm gegründete Institutum Judaicum der evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, eines der ersten Institute, an denen überhaupt wieder Judaistik gelehrt wurde. Unter Otto Michels Ägide reifte mehr als eine Generation von deutschen Theologen heran, die sich für das geschichtlich-kulturelle Umfeld interessierten, aus dem das Christentum entstand. Allein der Ansatz, sich mit dem jüdischen Erbe von Jesus zu befassen, war damals ein wichtiger Fortschritt. Michel nannte es »Rückkehr zum hebräischen Denken«. Doch sein Beitrag zur Versöhnung ruhte auf einem Lügensockel….