09.04.2011 05.Nisan, 5771
Gerade am Lesen:
Peter Raue hat Gewichtiges im leichten Gepäck
Was ich lese, hängt immer auch davon ab, wo ich lese. Reisezeit ist Lesezeit, – im "Sprinter" nach Frankfurt, im Flugzeug, auf Kurzreisen. Diese Lektüre verbietet den dicken Wälzer, der bleibt zu Hause, muss warten auf ruhige Wochenendstunden, Ferienzeiten. So muss ich auch die Frage nach meiner derzeitigen Lektüre diesen Lesegewohnheiten entsprechend beantworten. Der dicke Wälzer. Das kleine Buch. Zunächst Claude Lanzmann mit seinem über 700 Seiten starken "Patagonischen Hase(n)". Ein so erhellendes wie dunkles Buch. Was dieser große Denker, Filmemacher, Mann ohne Furcht (und wie es bei der Lektüre scheint: ohne jeglichen Tadel) aus "seinem" Jahrhundert (geboren 1925) uns mitzuteilen hat, ist atemberaubend. Die Jahre des jungen Mannes in der Résistance etwa. Das (erstaunlich) glückliche (nur durch unfassbaren Mut erreichte) Überleben im nazibesetzten Frankreich. Dann herrlich die große Liebes- und Lebenszeit im befreiten Paris. Die so noch nie geschilderte (von Simone Beauvoir freilich völlig anders erlebte) ménage à trois – Sartre, Beauvoir, Lanzmann. Nie ist der Text voyeuristisch, manchmal von erstaunlicher Härte. Immer von meisterhaftem Erzählduktus. Im letzten Teil berichtet Lanzmann, von der Arbeit an seinem Jahrhundertfilm "Shoah": Allein die Suche nach jenem Friseur, den er in New York trifft, verliert, in Israel aufspürt und der einen der erschütternsten Berichte in dem "Shoah"-Film zögernd, unter Tränen wagt, lässt den Atem stocken….