14.06.2011 12.Siwan, 5771
Glosse:
Zur Beschreibung von Geschehnissen in Israel verwendet man in Deutschland verdächtig gern die Bezeichnung "alttestamentarisch". Dabei wird das dort angeblich herrschende Gesetz des "Auge um Auge, Zahn um Zahn" nicht etwa als eine alte Zivilisationsleistung gewürdigt, die Verhältnismäßigkeit herstellt, sondern in vermeintlich christlicher Sanftmut als atavistische Verstocktheit getadelt. Jenseits dieser verqueren Zuschreibungen aber ließ sich an diesem Wochenende entdecken, dass man sogar im ganz und gar weltlichen Tel Aviv durchaus "alttestamentarisch" ist – und zwar im Sinne der selbstkritischen Friedensvisionen aus den Büchern der sogenannten "kleinen Propheten" Amos, Hosea, Micha oder Hesekiel. "Lasst uns singen und tanzen im Angesicht des Herrn!" Von der Innenstadt bis zum Strand zog der bunte Zug des diesjährigen israelischen Gay Pride, Regenbogenfahne und Davidstern im Sommerwind flatternd, "By the river of Babylon" und Gloria Gaynors " I will survive" im Techno-Rhythmus über den Köpfen der Feiernden….