Runter von der Couch

26.02.2011                      22.Adar l, 5771

Kommentar: von Yoel Marcus (Ha'aretz)

Runter von der Couch!

Präsident Shimon Peres, ein unverbesserlicher Optimist, versprach uns einen neuen Nahen Osten. Er prophezeite sogar, dass der Tag käme, an dem Gaza sich in das Singapur des Nahen Ostens verwandeln würde. Er war auch der erste, der zu einer Sicherheitsallianz zwischen der säkularen Türkei und Israel ermutigte. So wie viele von uns, glaubte auch er, dass das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel Bestand habe, so lange Mubarak an der Macht sei. Er vertraute außerdem darauf, dass Mubaraks korrupter Sohn den politischen Fußstapfen seines Vaters folgen würde. Schließlich konnten Millionen von US-amerikanischen Dollar an Hilfsgeldern nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wir wussten, dass die Moslembruderschaft eine Bedrohung für den Frieden darstellte. Doch Mubarak zerstreute unsere Ängste oder er überzeugte zumindest Benjamin Ben-Eliezer, dass die Bruderschaft eine Minderheit darstellte, die unter Kontrolle sei.
Niemand stellte sich vor, dass die Ungebildeten und Hungrigen in Ägypten eine wahre Macht darstellten. Niemand dachte an die Scharen von Studenten, die ihre Studien beendeten, doch keine Arbeit finden konnten. Niemand kümmerte sich um die Übergriffe in die persönliche Freiheit. Und über die ägyptische Regierungsstruktur, die ein korrupter Apparat war, der sich aus öffentlichen Kassen bediente, sah man hinweg. Niemand im ägyptischen Präsidentenpalast äußerte die berühmten Worte „Sollen sie doch Kuchen essen“. Doch wie in Frankreich, wollte auch das Volk in Ägypten mehr als Kuchen haben.
Kürzlich sagte der frühere Leiter des israelischen Geheimdienstes Mossad, Ephraim Halevy, dass Revolutionen nicht im Voraus angekündigt werden. Auch diejenigen, die sich langsam konsolidieren, wie z. B. die Türkei, die sich von der säkularen Atatürk-Tradition trennt, kündigen das nicht im Voraus an. Die Serie der Unruhen, die in Tunesien begann, verbreitete sich wie ein Buschfeuer von Staat zu Staat.
Während die aufgeklärte Welt –also die europäischen Staaten– langsam von islamischen Immigranten erobert wird und Obamas Amerika uns als die Quelle aller Fehler und Hindernisse in der Region betrachtet, werden diese Zaungäste von etwas getroffen, das sie nicht erwartet haben, nämlich von der Ausbreitung der Revolution in unserer Gegend, von Staat zu Staat, wie ansteckende Bakterien. Wer immer mit Gaddafi –aus Ehrerbietung vor dessen reichlicher Ölversorgung und seinem Versprechen, weitere Terroraktivitäten zu unterlassen– Geschäfte machte, sollte –um ein altes Sprichwort zu umschreiben– nicht überrascht sein, mit einem Massenmörder im Bett aufzuwachen. Was derzeit im „neuen Nahen Osten“ geschieht, ist ein Zusammenstoß von Regimes auf Grund von Regeln aus dem letzten Jahrhundert auf der einen Seite und zeitgenössischen demokratischen Prinzipien auf der anderen.
Die USA können endlos abstrakte Begriffe über die Unerlässlichkeit der Demokratisierung rezitieren. Dies sind schöne Worte, doch gelten sie z. B. in Saudi-Arabien? Die gesamte Führungsschicht in Riad ist ins Alter gekommen. Am Horizont stehen Zeichen eines Kampfes um Leben und Tod zwischen den Söhnen und Enkeln, die Anspruch auf den Thron erheben. Der britische Premierminister David Cameron gab während seines Besuchs in Kuwait zu, dass die demokratische Welt versagt, wenn sie Diktatoren Unterstützung anbietet. Ihm und anderen westlichen Staatsführern wurde von islamischen Herrschern zugeredet, dass demokratische Systeme nicht zu arabischen Traditionen und islamischen Gesetzen passen.
Israel setzte auf Mubarak, um eine friedliche Beziehung aufrecht zu erhalten. Es stimmt, dass dies keine warmherzige, liebevolle Beziehung war, sondern sie hing von der gewissenhaften Einhaltung aller Details des Friedensabkommens ab. Ob irgendjemand in Israel mit Mubarak darüber sprach, was nach seinem Abtreten geschehen würde, ist unklar. Israel setzte im selben Maß auf Mubarak wie es auf den jordanischen Haschemiten-Herrscher König Abdallah setzt. Doch ich bin nicht sicher, ob der König von Jordanien nicht jeden Abend eine Schlaftablette benötigt, bevor er zu Bett geht. Wie das Beispiel des „Schwarzen September“ in den 1970er Jahren zeigt, als Israel Syriens Übergriff auf Jordanien verhinderte, kann sich der Sohn von König Hussein auf Israels Hilfe verlassen, wenn es zu einer palästinensischen Massenrevolution in seinem Land kommen sollte.
Obamas erster Gebrauch der amerikanischen Veto-Macht, der zur Verhinderung der Anklage gegen Israel in der UNO führte, wird vielleicht sein letzter sein. Das Anschwellen der internationalen Feindschaft, die in dieser UNO-Abstimmung ausgedrückt wurde, wird Israel davon abhalten, militärische Stärke anzuwenden. Angesichts dessen, was in unserer Region und in der internationalen Arena geschieht, wird Obama Israel nicht die Freiheit lassen, militärische Stärke ungehindert einzusetzen, weder gegen den Iran noch –der Himmel bewahre uns davor!– gegen eine inländische Intifada von eineinhalb Millionen israelischen Arabern.
Die israelische Regierung, die keinen Hinweis auf das hatte, was in unserer Region geschehen würde, muss von der Couch herunter kommen und aufhören, ein passiver Zuschauer zu sein. Sie muss sich aktiv mit dem Hauptthema beschäftigen: Wie können wir schnell eine Realität herstellen, die uns davon abbringt, der einzige Staat in der Welt ohne dauerhafte Grenzen zu sein und ein anderes Volk zu kontrollieren.
Der scheidende Generalstabchef Ashkenazi empfahl dem Knessetkomitee für Außen- und Verteidigungsangelegenheiten als ersten Schritt, Syrien aus dem Kreis der Feinde zu holen. Eine diplomatische Anstrengung in diese Richtung mag vielleicht nicht funktionieren. Aber wir müssen ihr zumindest einen Versuch geben.