Der Mann Moses und die monotheistische Religion

16.10.2011                      18.Tischrei. 5772                       Chol Hamo'ed 2

Freud lesen:

Der Mann Moses und die monotheistische Religion

Im März 1938 wird Österreich von Hitlerdeutschland annektiert. Ein paar Monate später werden die Büros des Internationalen Psychoanalytischen Verlags durchsucht und verwüstet. Alle Freunde Freuds drängen ihn, das Land zu verlassen, besonders Jones und Marie Bonaparte.

Eine internationale Kampagne, an der insbesondere britische und amerikanische Diplomaten beteiligt sind, übt sogar starken Druck auf die deutschen und österreichischen Behörden aus, ihm die Ausreise aus Wien zu gestatten. Das größte Hindernis ist jedoch Freud selbst, der sein Geburtsland nicht verlassen will, weil er das als Desertion empfindet. Jones erzählt, er habe ihn erst mit der Geschichte des Zweiten Offiziers der Titanic überzeugen können, der durch die Explosion eines Dampfkessels ins Meer stürzte; vor dem Untersuchungsausschuss befragt, unter welchen Umständen er das Schiff verlassen habe, hatte er erklärt: »Ich habe es nicht verlassen. Es hat mich verlassen!« (Jones [1957] 1962, Bd. 3, S. 261)
Als die österreichischen Behörden schließlich die Ausreise der Familie Freud bewilligt haben, beginnen die administrativen Scherereien. Da Freuds Bankguthaben beschlagnahmt worden sind, bezahlt Maria Bonaparte die von den Nazis geforderte »Reichsfluchtsteuer«. Sie unterwerfen Freud einer letzten Demütigung mit der Aufforderung, eine Erklärung zu unterzeichnen, in der er eine korrekte Behandlung bestätigt. Glaubt man Jones, ergänzte Freud das Dokument noch um einen riskanten ironischen Satz: »Ich kann die Gestapo jedermann aufs beste empfehlen« (ebd., S. 268)….